Projekt Tofino – Mozilla erfindet den Webbrowser neu
Wie würden Browser heute aussehen, würden diese heute erfunden werden und nicht nach wie vor auf zwanzig Jahre alten Paradigmen basieren? Mit solchen Fragen beschäftigt sich das Tofino-Projekt, in dessen Rahmen Mozilla experimentieren und Dinge bewusst anders machen möchte.
Die grundlegenden Konzepte von Webbrowsern haben sich in den letzten 20 Jahren nicht nennenswert verändert. Doch sind diese Konzepte, die aus einer Zeit stammen, in welcher die primäre Aufgabe eines Webbrowsers das Betrachten von Texten war, überhaupt noch zeitgemäß?
„When you think of a browser today, you’re probably thinking of tabs, a location bar and perhaps a bookmarking system. But are those still the best tools for the jobs we are aiming to accomplish on the web? Maybe they are. Maybe they are not. We want to find out.“
Das Projekt Tofino beschreibt eine Serie von Experimenten, macht sich dabei frei von bestehenden Paradigmen und soll frische Ansätze liefern.
Der Tofino-Browser basiert nicht etwa auf Gecko und XUL, sondern auf Electron und React, ist damit de facto also ein Chromium-basierter Browser, was sich aber ganz einfach damit erklären lässt, dass Electron hervorragend für Prototyping geeignet ist und es beim Tofino-Projekt genau darum geht. Bei Tofino dreht es um UX-Fragen, nicht etwa um eine technologische Plattform, welche idealerweise eines Tages Servo sein wird.
„What is it going to look like? We don’t know yet! That’s why we see Project Tofino not as a single product, but rather as a series of experiments. We will use it as a platform to explore radical new ideas that go beyond any existing browser.“
Weitere Informationen:
Tofino-Blog: Browsers, Innovators Dilemma, and Project Tofino
Tofino-Blog: Designing a Browser that isn’t a Browser
GitHub: mozilla/tofino
Reines Wissenschaftsprojekt oder könnte daraus irgendwann tatsächlich auch mal der Nachfolger von Australis entspringen?
Davon abgesehen finde ichs schon interessant, wie schnell sich Electron anscheinend verbreitet. Neben Atom selber sind innerhalb weniger Monate mehrere neue Projekte, darunter Tweeten, Visual Studio Code (okay, hier etwas länger), WordPress und Simplenote, auf Windows umgesetzt worden. Die ersten Mockups von Mozilla sehen aber nicht besonders schön aus, wenn ich ehrlich bin. Sie sind zwar beileibe nicht die einzigen, die sich an einem radikal neuen Browserdesign versuchen (das haben Fenrir, Yandex und Opera mit Coast auch getan), aber ne wirklich neue Idee ist das nicht. Da ist noch viel Luft nach oben.
Ich finde es sehr gut das sich Mozilla mit solch einer Fragestellung beschäftigt.
Das "Neuerfinden" bei Software scheint meistens eine Sache von UX zu sein. Und jede GUI hat das Problem, dass es Anhänger und Ablehner dafür gibt. Eine echte Innovation wäre ein Free/Libre-Opensource headless-Browser, den man über Schnittstellen jedes beliebiege Äußere verleihen kann. Für Mozilla wäre das ein Verlust der Marke, sie müssten sich mit denen messen, die "bessere" UIs generieren. Ich verwende zum Beispiel keine Maus und meine Browser müssen sich vollständig per Tastaur bedienen lassen. Die Anforderung kann die jetztige UI von Mozilla in keinster Weise erfüllen. Wetten, dass so etwas in Torfino auch nicht möglich ist? Warum bietet Mozilla keine Sprachsteuerung an? Weil die UX-Fraktion das WIMP Paradigma einfach nicht los wird.
Bin irgendwie nicht so richtig überzeugt. Von "Wie würden Browser heute aussehen, wenn sie nicht auf zwanzig Jahre alten Paradigmen basieren würden?" bis hin zu "Wie würden Browser heute aussehen, wenn die lästigen Benutzer nicht wären, die sich seit zwanzig Jahren an bestimmte Paradigmen gewöhnt haben?" ist es leider nicht sehr weit. Man erzählt uns ja auch seit Jahrzehnten, wie unergonomisch unsere nur auf historischem Ballast beruhenden Computertastaturen sind, aber die guten Neuentwicklungen setzen sich halt einfach nicht durch.
Ich traue Mozilla durchaus zu, eine mehr oder weniger perfekte neue Browseroberfläche zu erfinden – die ein paar Jahre später wieder eingestellt wird, weil außer einer Handvoll Enthusiasten sie niemand verwenden wollte.
Ein mutiges Projekt! Wenn mich jemand fragen würde, wie ein Browser heute ohne den Ballast 20-jähriger Entwicklung aussehen sollte – ich müsste passen, hätte nicht die leiseste Ahnung!
Gleich vorweg, vielleicht ist mein Kommentar leicht Off-Topic, aber trotzdem will ich es einfach loswerden. Darüber hinaus will ich auch nicht gegen Mozilla hetzen oder so (sie haben viele gute Ansätze und setzen sich für ein sicheres Web ein, was ich auf keinen Fall schmälern will):
Warum versucht Mozilla den Webbrowser neu zu erfinden, obwohl sie in Firefox viele interessante und gute Ansätze in Firefox über Bord geworfen haben (z.B. Tabgruppen, welche man weiter ausbauen hätte müssen) und Firefox "chromisiert" haben? Warum versuchen sie das Rad neu zu erfinden, obwohl sie doch bewusst aus Firefox einen Mainstream-Browser machen?
Da bin ich echt froh, dass es Vivaldi und auch den Otter-Browser gibt, welche diesen Trend entgegenwirken und endlich wieder nutzbare Webbrowser entwickeln. Nach dem Ende von Opera 12 ist der Browsermarkt (aus meiner Sicht) zusammengebrochen bzw. wurde zum Einheitsbrei (es gab keinen vernünftigen Browser mehr, der meine Ansprüche abgedeckt hat), weswegen ich die Entwicklung von Vivaldi und Otter begrüße.
Fazit:
Irgendwie widerspricht sich meiner Meinung nach das Projekt Tofino mit der Richtung, die Mozilla bei Firefox eingeschlagen hat. Aber lassen wir uns überraschen. Vielleicht hat dieses "Gedankenspiel" bzw. "Ideenspiel" (einiger weniger Entwickler bei Mozilla?) bei Tofino ja doch positive Auswirkungen auf Firefox.
Ich persönlich bin jetzt jedenfalls von Firefox auf Vivaldi gewechselt, weil Vivaldi für meine Nutzungsansprüche (welche nach wie vor auf Opera 12 basieren) mehr zu bieten hat, als Firefox.
@Antares:
Unterschiedliche Ebenen würde ich sagen. Australis hat bewusst nicht grundlegende Konzepte verändert. Das war eine Mondernisierung der alten Oberfläche. Bei Tofino gibt es keine Grenzen in dem Sinne, und keinen klaren Plan, worauf man hinarbeitet, man viel experimentieren und das auch in vielleicht ganz gegensätzliche Richtungen. Und wenn sich einzelne Ideen als gut herausstellen, wer weiß, vielleicht werden diese dann für Firefox übernommen. Lass uns Tofino mal als Wissenschaftsprojekt einordnen. Auch Wissenschaftsprojekte haben in der Regel ja das übergeordnete Ziel, Erkenntnisse zu erlangen, die man am Ende auch nutzen kann.
Das sind ja auch erst die allerersten Skizzen. Das Projekt steht noch ganz am Anfang. 😉
@Stefan:
Ich sehe den vermeintlichen Verlust der Marke in deinem Vorschlag nicht. Embedding ist ein wichtiges Thema. Es gab gute Gründe dafür, dass Mozilla die Unterstützung für Gecko-Embedding seinerzeit eingestellt hat, aber heute wäre es wichtig, dass Mozilla so etwas anbietet. Glücklicherweise ist das eine Top-Priorität für Servo.
Tofino ist kein einzelnes Produkt, Tofino ist eine Reihe von Experimenten, sprich es wird ganz verschiedene Ansätze geben.
Das hat mit Paradigmen nichts zu tun, sondern mit dem sinnvollen Einsatz von Ressourcen. In meinem ganzen Leben habe ich vor diesem Kommentar noch nie von jemandem gehört, dass er seinen Browser per Sprache steuern möchte. Ganz im Gegenteil, ich kenne ausschließlich Menschen, welche dem Gedanken überhaupt nichts abgewinnen können. Insofern würde es mich wundern, wenn das Interesse daran extrem groß wäre. Und es klingt nach extrem viel Aufwand. Beides muss in einer gesunden Relation zueinander stehen. Vor allem für Mozilla, die wesentlich kleiner als Google, Microsoft oder Apple sind, die müssen ihre Ressourcen besonders bedacht einsetzen.
@Michael M.:
Doch, dazwischen ist es sogar extrem weit. Es macht einen Riesen-Unterschied, mit was für einer Einstellung / Motivation man an ein solches Thema geht. Motivationen verändern das Handeln entscheidend.
Ich find es schwierig, Dinge zu vergleichen, die so gar nichts miteinander zu tun haben. Vor allem ist Ergonomie nun einmal ein ganz eigenes Thema, welches sich nicht zwangsläufig damit decken muss, was Nutzer wollen. Es gibt schon Argumente für solche ergonomischen Tastaturen. Aber das alleine reicht halt nicht. Bei UX-Forschung geht es darum, genau das herauszufinden, was für die Nutzer eine gute User Experience ist und was nicht. Und Ergonomie spielt für Software ja nun wirklich eine untergeordnete Rolle.
Wieso sollte Mozilla Jahre in eine Oberfläche investieren, welche von den Nutzern nicht angenommen wird? Das ergibt für mich keinen Sinn. Nochmal: Tofino ist in dem Sinne ein Forschungsprojekt, kein Produkt.
@Karsten:
Du darfst nicht davon ausgehen, dass Funktionen, die du gut findest, alle anderen auch gut finden. Die Tab-Gruppen wurden nur von wenigen Nutzern überhaupt genutzt. Ja, das Konzept war interessant. Fand ich auch. Aber wahrscheinlich auch einfach zu komplex, für die meisten Nutzer ist sowas einfach totaler Overkill. Darüber hinaus ist auch deine Annahme falsch, dass man die Tab-Gruppen einfach weiter hätte ausbauen müssen. Nein, die Tab-Gruppen wurden auch aus Qualitätsgründen aus Firefox entfernt. Dieser Code würde heute in dieser Form so nicht mehr in Firefox landen, weil es einfach schlechter Code war und es viele Probleme damit gab. Auch der Aufwand, die Tab-Gruppen kompatibel mit der kommenden Multiprozessarchitektur von Firefox zu machen, wäre enorm gewesen. Die Tab-Gruppen hätten komplett von null neu entwickelt werden müssen, wenn diese eine Zukunft hätten haben sollen. Und dafür sind derzeit keine Ressourcen verfügbar. Das heißt nicht, dass es ähnliche Konzepte nicht in Zukunft wieder geben könnte und de facto hat Mozilla vor wenigen Monaten tatsächlich Mockups für ein ähnliches Konzept veröffentlicht.
Tut mir leid, aber wenn jemand so einen Quatsch schreibt, fällt es mir schwer, den Kommentar überhaupt noch ernst zu nehmen. Mal ganz davon abgesehen, dass Chrome einen wesentlichen Teil von Firefox bezeichnet und das schon, bevor es den Browser von Google gab, ist mir klar, dass du damit den Browser von Google meinst, und das ist ja nun vollkommen an den Haaren herbei gezogen. Die Unterschiede zwischen Firefox und Chrome sind zahlreich und offensichtlich. Eine gewisse Grundähnlichkeit hingegen haben ausnahmslos alle nennenswerten Browser heutzutage. Bei Tofino geht es darum, mit wirklichen Unterschieden zu experimentieren.
Dir scheint nicht klar zu sein, welche Bedeutung Forschung hat. Ohne Forschung würde es das meiste gar nicht geben, was du heute kennst und nutzt. Und für Forschung kann es sehr hilfreich sein, wenn man sich von vorhandenen Paradigmen einfach mal löst und so tut, als würde es bestimmte Grenzen nicht geben. Daraus entstehen vollkommen andere Ideen, als wenn man sich von Anfang an Grenzen setzt.
Ich hab ja wirklich schon viel Unsinn gelesen, aber das verdient einen Platz ganz oben. Bei allem Respekt vor Opera, Opera 12 war technisch eine Katastrophe, die Presto-Engine konnte nicht einmal ansatzweise mehr mit der Konkurrenz mithalten. Und zu behaupten, dass weder Firefox noch Chrome noch Edge noch Safari nutzbare Webbrowser wären, das ist schon sehr gewagt.
Nein, da widerspricht sich überhaupt nichts. Du kannst kein etabliertes Produkt, welches in dieser Form an hunderte Millionen Menschen ausgeliefert wird, mit einem UX-Forschungsprojekt vergleichen. Es geht darum, neue Ideen, Innovationen zu finden. Und für Prototyping ergibt es wenig Sinn, einen kompletten Firefox herzunehmen und umzubauen, für ist Prototyping ist Electron einfach besser geeignet. Das ist eine Sache von Aufwand und Fokus. Der Aufwand ist so geringer und der Fokus liegt auf Nutzer-Interaktion, dafür ist die zugrundeliegende Plattform nicht relevant und die ganzen Browser-Funktionen wie Add-ons etc. vollkommen unwichtig.
Selbstverständlich geht es darum, am Ende einen Gewinn für Firefox zu erzielen. Ansonsten wäre diese Forschung ja sinnlos. Mozilla forscht ja nicht grundlos ausgerechnet an der Browser-UX. Und selbstverständlich sind in dieses Projekt nur "wenige" von Mozilla involviert, weil alles, was Mozilla macht, von bestimmten Teams erledigt wird. Dass jeder in alles involviert ist, das gibt es nicht. Und Mozilla macht so viele Dinge, auch Dinge, die gar nichts mit einem Browser zu tun haben, dass viele auch gar nichts sinnvoll beitragen könnten. Hier geht es um Browser-UX, also sind hier die UX-Experten von Mozilla involviert.
es gibt immer wieder neue Brower, aber ob die sich durchsetzten werden ist fraglich.
Ein beispiel ist Cliqz der vom Burda Verlag entwickelt wurde, der auf dem Firefox basiert.
Ein weiter neuer Browser ist Vivaldi bassiert auf dem Chromium.
Aber das sehe ich als Spartenprodukte die sich wahrscheinlich nicht durchsetzten werden.
@Christian T:
Wichtig: hier geht es nicht um die Erschaffung eines neuen Browsers. Mozilla hat nicht vor, eine Konkurrenz zu Firefox im eigenen Haus zu entwickeln. Tofino ist ein Browser, anhand dessen Konzepte erforscht und erprobt werden. Tofino wird aber kein massentauglicher Browser werden, der als Produkt vertrieben wird. Tofino wird im Idealfall Konzepte liefern, von denen welche vielleicht irgendwann den Weg in Firefox finden können. Im Idealfall, vielleicht kommt auch gar nichts raus, was Firefox nützt.
Beim Nutzen stimme ich dir im Wesentlichen zu, beim Aufwand nicht. Firefox besitzt bereits eine JS-API zur Spracherkennung, alles was gegen einen produktiven Einsatz spricht, ist das fehlende Interface für die Rechtevergabe, das bei interner Nutzung keine Rolle spielt. Firefox also beizubringen, dass ein gesprochenes "Zurück!" wie ein Klick auf die Zurück-Schaltfläche behandelt werden soll, wäre damit nur ein minimaler Aufwand.
Für mobile Browser wäre eine Sprachsteuerung aber durchaus interessant.
Minimal würde ich nicht sagen, das ist sicher nicht in 30 Minuten umgesetzt. Und es muss halt einfach Sinn ergeben. Ich sehe es ja noch irgendwo auf dem Smartphone ein, von da kommt diese Funktion ja ursprünglich. Siri, Ok Google und wie sie alle heißen (und von Mozilla bald Vaani 😉 ). Aber beim Desktop-Browser kann ich mir das wirklich überhaupt nicht vorstellen. Und mit Sinn ergeben meine ich: es sollten schon so viele Leute nutzen, dass sich eine Implementierung rechnet. Es bleibt ja nicht bei einer einmaligen Implementierung. Ein solches Feature muss gepflegt werden, bindet damit Ressourcen, und es wäre halt wieder ein zusätzliches Bedienelement im Browser. Es müsste also sinnvoll untergebracht werden, was zur Komplexität der Oberfläche beiträgt. Nicht diese einzelne Funktion nur für sich genommen, aber jede Funktion, welche eine sichtbare Oberfläche braucht, am Ende in der Summe. Ich glaube daher, dass alleine die Gedanken, die man für die User Experience investieren muss, kein Minimum sind, sondern dass man sich ausführlicher damit beschäftigen muss, wenn man das implementieren möchte. 😉