MZLA Technologies Corporation ist die neue Heimat von Thunderbird
Das Thunderbird-Projekt hat heute bekannt gegeben, ab sofort unter dem Dach der neu gegründeten MZLA Technologies Corporation zu operieren. Es handelt sich dabei um eine neue Tochtergesellschaft der Mozilla Foundation.
Der beliebte E-Mail-Client Thunderbird wird bereits seit einigen Jahren nicht mehr von der Mozilla Corporation entwickelt, welche auch Entwicklerin von Firefox ist. Stattdessen ist Thunderbird ein eigenständiges Projekt, welches zwar den Namen und Technologie von Mozilla nutzt, aber unabhängig agiert. Die Mozilla Foundation tritt außerdem weiterhin als juristische wie auch finanzwirtschaftliche Heimat des Thunderbird-Projekts auf.
Wie die kommerzielle Mozilla Corporation eine Tochtergesellschaft der nicht profitorientierten Mozilla Foundation ist, so ist auch die neu gegründete MZLA Technologies Corporation eine Tochtergesellschaft der Mozilla Foundation und ab sofort neue Heimat von Thunderbird.
An der grundsätzlichen Ausrichtung des Thunderbird-Projekts ändert sich dadurch nichts. Thunderbird bleibt weiterhin Open Source und für den Nutzer kostenlos. Jedoch gibt die neue Heimat dem Thunderbird-Projekt die Möglichkeit, Einnahmen durch Partnerschaften und nicht nur durch Spenden zu generieren sowie bezahlte Produkte und Dienste anzubieten, was unter dem Dach der Mozilla Foundation aufgrund seines Not-for-Profit-Status nicht möglich wäre. Auch gibt das Thunderbird-Projekt an, unter der neuen Organisation leichter neue Mitarbeiter einstellen zu können.
Ich wünsche dem Thunderbird-Projekt wirklich viel Glück, aber da liegt wirklich extrem viel Arbeit bei denen auf dem Schreibtisch. Ich hatte bei der Gelegenheit gestern mal einen Blick auf die Roadmap für Thunderbird 78 und danach geworfen. Da sind viele gute und zum Teil dringend benötigte Verbesserungen dabei: MailExtensions, Unterstützung des Matrix-Protokolls, das neue Adressbuch, Modernisierungen des Unterbaus auf JavaScript-Basis, PGP-Support, Tor-Support für Mailanbieter mit .onion-Zugängen und so vieles mehr. Klingt alles gut, aber was die möglichen bezahlten Produkte/Dienstleistungen angeht, bin ich skeptisch, noch skeptischer als bei Mozilla und Firefox.
Ich hatte das ja früher schon mal gesagt: Ich mag Mozilla wirklich, ich vertraue ihnen auch, aber abseits von Pocket habe ich Bauchschmerzen, mich auf ihre neuen Services einzulassen. Firefox Send und im weiteren Sinne auch Firefox Notes sind nur zu vage, weil sie nicht mit einem Premiumdienst gebackt sind. Wir hatten auch in der Vergangenheit schon kostenlose Dienste wie Firefox Hello (kann man nicht ganz vergleichen, weiss ich, aber trotzdem…), die nach relativ kurzer Zeit wieder verschwunden sind. Firefox Lockbox wäre was anderes, aber ich bin halt naturgemäß auch mit anderen Browsern als Firefox unterwegs und wenn mir ein Passwortmanager dann nicht überall zur Verfügung steht, sondern am Desktop an Firefox gebunden ist, ist das ein KO-Kriterium. Und das Firefox Private Network… eine nette und gute Idee, aber wie nachhaltig die Partnerschaft von Mozilla mit Mullvad VPN ist…. man muss es erstmal sehen.
Thunderbird als unabhängiges Projekt ist aber nochmal sooo viel kleiner als das, was Mozilla rund um Firefox auf die Beine stellen kann. Wenn selbst Mozilla noch seinen Weg finden muss, wie nachhaltig sind da die Pläne des Thunderbird Councils bei allen guten Absichten, die ich ihnen da durchaus unterstelle? Mal blöd formuliert: Auch wenn die Entwickler von Mozilla selbst mit Thunderbird nichts mehr zu tun haben, hätte eine gewisse Interaktion zwischen Firefox und Thunderbird durchaus seinen Reiz für mich: Firefox Send könnte über FileLink andocken, Firefox Notes könnten als Aufgabenfunktion in Thunderbird als PIM-Suite eingebunden werden… wäre eine Frage dessen, was beide Teams vereinbaren könnten und ob Mozilla bereit wäre, eigene Services im Konzept anzupassen, wenn es die eigene Position bei Firefox stärken würde, aber damit könnte Thunderbird auch stärker werden.
Vergleiche mit Produkten und Diensten der Mozilla Corporation sind aus Thunderbird-Sicht aber deswegen nicht fair, weil beide Entwickler völlig unabhängig voneinander operieren und man dem Thunderbird-Projekt eine unvoreingenommene Chance geben sollte, seine Pläne umzusetzen. Was auch immer die Mozilla Corporation für Produkte und Dienste implementiert und was auch immer für Schwierigkeiten sich daraus ergeben, das Thunderbird-Projekt hat damit nichts zu tun. 😉
Die vergleichsweise geringe Größe kann aber auch ein Vorteil sein. Skalierierbarkeit ist nämlich genau das, woran viele scheitern. Ich kenne nicht die exakten Mitarbeiter-Zahlen, daher verwende ich mal näherungsweise die folgenden Zahlen: Ein Unternehmen mit 20 Mitarbeitern profitabel zu führen, ist etwas völlig anderes als ein Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern profitabel zu führen. Damit sage ich nicht, dass die Mozilla Corporation eine unmögliche Aufgabe hätte, und ich sage auch nicht, dass es für das Thunderbird-Projekt einfach werden wird. Was ich meine, ist: Es ist schlicht und ergreifend eine andere Situation. Und so viel kleiner zu sein, heißt nicht automatisch, dass die Probleme größer wären. Das fängt ja schon mit den Personalkosten an, die man decken muss. Mit 1.000 Mitarbeitern ergibt sich ja ein ganz anderer Druck, Einnahmen in einer bestimmten Höhe zu erwirtschaften, als für ein Unternehmen mit nur 20 Mitarbeitern. Und das ist nicht der einzige Unterschied. Deswegen find ich die Situation in beiden Fällen einfach so unterschiedlich, dass Vergleiche schwierig sind.
Klar wäre das reizvoll. Allerdings passt Thunderbird halt nicht zu den Prioritäten der Mozilla Corporation und die kürzliche Entlassung einiger Mitarbeiter zeigt, dass Mozilla derzeit ziemlich genau schauen muss, wie sie ihre Ressourcen einsetzen.
Firefox Notes halte ich ehrlich gesagt für ein totes Projekt (ohne Genaueres zu wissen). Da würde ich mir keine Hoffnungen machen. Firefox Send über FileLink in Thunderbird anzubinden, würde in der Tat gut passen und sollte dank der FileLink-API auch gut umsetzbar sein. Vielleicht findet Mozilla ja eine Möglichkeit, mit Firefox Send Geld zu verdienen. Falls ja, wäre das vielleicht ein sehr guter Anreiz, eine solche Erweiterung bereitzustellen, welche dann wiederum die Nutzung von Firefox Send fördert. Aber auch das ist nur mein Gedanke als Außenstehender. 😉
Die Schnittmengen zu Firefox sind in der Tat nicht so groß. Der immer erdrückendere Dominanz von Office365 und damit Outlook wird man auch zukünftig nur wenig entgegenzusetzen haben. Ob als MS Teams / Slack eine Integration von Matrix reicht, wird man sehen müssen. Man braucht aber dringend mehr solcher Kooperationen. Mich wundert, dass hier mit Libreoffice z.B. anscheinend wenig passiert. Andere Partner wären Nextcloud etc.
Mobil scheint man ja auch noch gar kein Konzept zu haben. Mails etc. werden nun mal immer mehr über Smartphone und Tablet etc. abgerufen. Da möchten man auch konsistente Umgebungen.
Ich bin mal gespannt, ob diese Ausrichtung hin zu kommerziellen Diensten klappen wird. Spenden werden in jedem Fall ohne Gemeinnützigkeit unattraktiver.
Thunderbird lässt sich nicht zu einer mobilen Anwendung umbauen, eine solche App müsste also komplett neu programmiert werden. Im Idealfall lassen sich zwar Komponenten wiederverwenden, aber bislang befindet sich Thunderbird nicht in einem Zustand, der das ermöglicht. Das Team müsste in der Größe schon deutlich vergrößert werden, damit das ein realistisches Projekt wird. Dafür bräuchte es aber auch deutlich mehr Einnahmen.
Warum? Das Argument verstehe ich nicht. Das Geld wird für die Entwicklung von Thunderbird benötigt. Wenn man auf Spenden-Einnahmen limitiert ist, sind auch die Einnahmen limitiert. Die Mozilla Corporation könnte mit den Spenden der Mozilla Foundation auch nicht überleben. Für den Nutzer ändert sich dadurch exakt gar nichts zum Schlechten, ganz im Gegenteil: Es ist eine notwendige Maßnahme zur Sicherung der Existenz. Auf Spenden ist das Thunderbird-Projekt nach wie vor angewiesen.
Ja, mir ist schon bewusst, dass das ein großer Aufwand ist. Nichtsdestotrotz wäre das wichtig für die Akzeptanz. MS weiß schon, warum man überall aktiv ist.
Die Logik sollte man ja im Wesentlichen weiter nutzen können. Die GUI muss wahrscheinlich ganz neu geschrieben werden. Die Abkehr von XUL und die Entwicklung von GeckoView spielt da ein wenig in die Karten. Für Smartphones und natürlich auch zu einem großen Teil für Tablets wird man da aber sicherlich einiges an Arbeit hineinstecken müssen.
Ich habe nicht geschrieben, dass ich etwas gegen diesen Schritt habe. Der Erfolg ist aber nun mal auch noch nicht absehbar. Entsprechend spannend es.
Da Gemeinnützigkeit für viele Spender eine Rolle spielt, ist wohl unbestritten. Entsprechend kann man das ja mal ansprechen. Wir sind uns ja auch darüber einig, dass Spenden weiterhin wichtig sind.
Es wird ja ein Vergleich zur Mozilla Corporation gezogen. Nur kann man für die restlichen Aktivitäten anscheinend weiter über die Foundation spenden und so den Vorteil der Gemeinnützigkeit nutzen. Dies gilt jetzt für Thunderbird explizit nicht mehr. Da haben wir dann doch einen deutlichen Unterschied.
Microsoft hat eben auch die Ressourcen. Die Ressourcen des Thunderbird-Projekts sind einfach begrenzt und auf zu vielen Hochzeiten zu tanzen kann ganz schnell nach hinten losgehen. Akzeptanz dürfte jedenfalls das kleinste Problem des Thunderbird-Projekts sein. Zumal es keinen Grund gibt, wieso man auf dem Smartphone und auf dem Desktop einen E-Mail-Client mit gleichem Namen nutzen müsste. Da die UX sowieso eine völlig andere wäre und es den Nutzer normalerweise null interessiert, welche Technik im Hintergrund arbeitet, bliebe nicht viel mehr als das Logo, was beide Produkte für den Nutzer sichtbar miteinander verbindet.
Genau das Argument verstehe ich nicht, für mich ist es daher eben nicht unbestritten und gerade das "viele" bezweifle ich ganz stark. Entweder spende ich für das Projekt, weil mir das Produkt wichtig ist, oder ich spende nicht. Die Organisations-Struktur ist für diese Entscheidung völlig unerheblich, denn sie ändert nichts. Es geht einzig und alleine darum, die Möglichkeit zu schaffen, weitere Einnahmequellen zu erschließen. Wer daraus einen Grund ableitet, nicht zu spenden, obwohl ansonsten gespendet worden wäre, handelt irrational und nur aus Reflex, würde ich daher behaupten. Solche Menschen gibt es natürlich. Wenn dadurch ein Bruchteil der Spender wegfällt, ist das schade, da völlig überflüssig, letztlich wäre der Schaden für das Projekt aber wahrscheinlich größer, wenn man weiterhin limitiert wäre.
Ich weiß nicht, worauf genau du damit hinaus möchtest. Spenden für das Thunderbird-Projekt gehen in die Thunderbird-Entwicklung. Spenden an die Mozilla Foundation an Foundation-Projekte. Davon hatte Thunderbird noch nie etwas. Diesbezüglich gibt es durch diese Änderung keinen Unterschied. Was sich ändert, ist die Tatsache, dass nun weitere Einnahmequellen möglich sind, genau wie bei Firefox, was nur durch die Ausgliederung in die Corporation möglich wird. An der Gemeinnützigkeit als Solches ändert sich gar nichts. Wie gesagt: Es ist nur eine Änderung der Organisationsstruktur.